Psychologische Aspekte der Rechtssprechung strittiger Sorgerechts- und
Besuchsrechtsverfahren
Diplomarbeit von Borecky Claudia Josefine
Betreuer: A.o. Univ.-Prof. Dr. Michael Trimmel
Institut für Umwelthygiene der Universität Wien, Univ.-Doz.
am Institut für Psychologie der Universität Wien
Die Basis für die Beschlussformulierung von RichterInnen bei strittigen
Obsorge- und Besuchsrechtsentscheidungen, bildet die Gesetzeslage in Österreich,
wobei das Kindeswohl und die Berücksichtigung der Meinung der Minderjährigen
im Vordergrund stehen. In rund 10 % der zu scheidenden Ehen in Österreich
kommt es zu einem strittigen Verfahren. In die Beschlussfindungen fließen
gesellschaftliche, wirtschaftliche und emotionale Aspekte ein und die RichterInnen
müssen die Minderjährigen persönlich hören. Dies ermöglicht
ihnen eine direkte Beurteilung, und dient zur Ergänzung der Stellungnahmen
und Gutachten von Jugendämtern, Sachverständigen und der Jugendgerichtshilfe.
Eine Alternative zu langwierigen und kostenaufwändigen Prozessen ist
die Mediation, wo Eltern in Eigenverantwortung die Zukunft der Familie
gestalten. Die expemplarische Datendarstellung erstreckt sich über
vierzehn strittige Sorgerechts- bzw. Besuchsrechtsverfahren, in denen es
zu maximal sechs Neu-Anträgen gekommen ist. Die häufigste Begründungen
für Anträge auf Obsorge waren „bessere psychische/physische Betreuung“,
gefolgt von „Kontinuität“ und „Misshandlung/Drohung“. Die betroffenen
Kinder waren zwischen zwei und zwölf Jahren und wurden fast alle durchschnittlich
2,7 mal im Prozessverlauf von RichterInnen, Jugendamt, Sachverständigen
und Jugendgerichtshilfe gehört. Die Prozessdauer lag zwischen elf
und 66 Monaten. Ein Zusammenhang bzwischen der Kontakthäufigkeit von
RichterInnen mit Sachverständigen, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe,
im Zusammenhang mit der Prozessdauer, konnte nur mit dem Jugendamt festgestellt
werden. Bei der 1. Obsorge-Entscheidung bekamen die Väter in knapp
40% die Obsorge zugesprochen. Bei jeder weiteren Entscheidung verlieren
diese zunehmend die Obsorge. Die Kindmütter haben zum Zeitpunkt der
dritten Entscheidung bereits in 93% der Fälle die Obsorge übernommen.
Wien, am 16. 10. 2000