Interkulturelle Philosophie - neuer Teilbereich oder neue Orientierung
der Philosophie?
In: Alois Wierlacher (Hg.): Blickwinkel.
Kulturelle Optik und interkulturelle Gegenstandskonstitution,
München: iudicium 1996, S. 163-186.
Aus dem Text:
In aller
Kürze kann das Programm eines interkulturell orientierten
Philosophierens in zwei Punkten ausgedrückt werden. Es ist erstens
eine neue Sicht auf die Geschichte des Philosophierens zu entwickeln,
und es muß zweitens in jeder Sachfrage der Polylog zwischen
möglichst vielen Traditionen einer behaupteten Lösung
vorangehen aufgrund des einfachen Sachverhalts, daß es nicht eine
Sprache der Philosophie jemals gegeben hat oder gibt.
Gibt es also
einen dritten Weg neben einem bornierten Eurozentrismus und dem
Separatismus der Ethnophilosophie? Ich meine, es gibt ihn: er besteht
in einem nicht mehr bloß komparativen und auch nicht nur
"dia-logischen", sondern in einem "poly-logischen" Verfahren der
Philosophie. Thematische Fragen der Philosophie - Fragen nach der
Grundstruktur der Wirklichkeit, nach deren Erkennbarkeit und nach der
Begründbarkeit von Werten und Normen - sind so zu diskutieren,
daß jeder behaupteten Lösung ein Polylog möglichst
vieler Traditionen vorangeht. Dies wieder setzt eine Relativierung der
in den einzelnen Traditionen entwickelten Begriffe und Methoden ebenso
voraus wie einen neuen, nicht-zentristischen Blick auf die
Denkgeschichten der Menschheit. Zunächst und vor allem ist es
jedoch eine Frage der Praxis, wofür eine Minimalregel formuliert
werden kann: halte keine philosophische These für gut
begründet, an deren Zustandekommen nur Menschen einer einzigen
kulturellen Tradition beteiligt waren.
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