4. Die Einheit der Schöpfung verweist auf einen Gott für alle Menschen, der sich von den Vorstellungen abhebt. Er ist das lebendige Urbild. Die Allmacht des Schöpfer-Gottes (vgl. Teilhard de Chardin) unterscheidet ihn von den Gottesvorstellungen der Menschen. Schon Epikur sagte, daß die Götter anders sind als sie gemäß dem Urteil der Massen sein sollten.
5. Gott ist Geist, also nicht sichtbar, sondern wie die Vernunft, die Freiheit und der Wille als Kraft hinter dem Sein und Leben (und Geschehen) wirksam. Den Menschen ist es durch ihre Vernunft möglich, Gott als zu ihnen in Beziehung stehend zu erkennen, seit sie Menschen sind. Die staunende und/oder dialogische Stimmung beim Denken an Gott gehört zum Kern der Religion.
6. Die geschichtlich gewachsenen Religionen sind unterschiedliche Ausformungen der Beziehung zu den jeweiligen Betrachtungsweisen Gottes oder des Heiligen, der (das) zwar in jeder Religion anders betrachtet wird aber doch derselbe ist. Es geht diesen also nicht primär um die divergierenden Konkretheiten, auch wenn sie diese jeweils brauchen, um ihre Identität zu wahren.
7. Der Gedanke von der Einzigartigkeit Gottes, ohne rechte Erkenntnis gesehen, könnte zwar zunächst zu gewissen, mit Aggressionen leicht zu verknüpfenden, Ausschließlichkeitsansprüchen der einen oder anderen Religion führen; aber der philosophisch und religiös richtige Weg bezieht die Einzigartigkeit Gottes nicht auf konkrete gläubige Menschen (sowie deren Glaubensgemeinschaft und Religionslehre), sondern eröffnet vielmehr gerade durch diese Perspektive den Weg zum Dialog der Religionen.
8. Einzigartig im Vergleich zu den Menschen, die als Geistwesen Gottes Bild sind, aber auch zu den menschlichen Vorstellungen von ihm, ist Gott. Ergo ist der wahre Gott auch unter den "Göttern", also im Vergleich zu den verschiedenen, durch Sonderheiten beschränkten Vorstellungen von ihm, einzigartig. Im Sinne von Nikolaus Cusanus gilt: Je mehr wir uns der hinter den divergierende Vorstellungen verborgenen Einzigartigkeit Gottes nähern, desto besser gelingt ein Dialog der Religionen.
9. Aus dem noch nicht in Beziehung zu anderen Formen reflektierten Vorwissen von der Einzigartigkeit Gottes bezieht der Besonderheits- und Ausschließlichkeitsanspruch der Religionen seine Grundlage, ja die Praxis der Religionen ist nicht anders als auf diese Weise denkbar, weil die höhere reflexive Stufe der Erkenntnis keine allgemeine Voraussetzung der Religion sein kann.
10. Die "Götter", das heißt die besonderen Gottesvorstellungen der Menschen sind menschlich, etwa als Kriegsgötter, aber machtlos. Sie sind erst eine Ahnung von Gott, aber Gott, den die Vernunft erkennen kann, ist ein noch schwerer zu fassendes Gut, er entzieht sich insofern der menschlichen Logik, als die menschliche Denkweise allzumal zu wenig offen für eine Beziehung zu Gott ist.
11. Jesus ist im Christentum jener Mensch, dessen Gottesbeziehung einzigartig ist, weil sie nicht eine Beziehung zu einer bloß menschlichen Gottesvorstellung, sondern zum unverfälschten Urbild Gottes ist. In Christus wurde Gott offenbar, das heißt, es wurde offenkundig, als wer sich Gott offenbart: Nur der barmherzige Gott des Friedens und der Liebe ist wahrer Gott Offenbarung bedeutet dabei die Wiederherstellung der verlorenen Evidenz Gottes: Das bisher Verschüttete wird allmählich wieder offenkundig.
12. Ein solcher Anspruch im Denken über Gott ist im Kern freilich eo ipso in einzigartiger Weise frei von jeglicher Aggressivität, ein Weg zum Heil, zum Frieden und zur Freiheit sowie ein Aufruf, bedingt aber auch eine graduell bessere Fähigkeit zur Nachahmung der Toleranz. Die Einzigartigkeit Gottes ist daher eine geeignete Grundlage des Dialogs zwischen Religionen.
Siehe: Erwin
Bader
(Hrsg.) : Dialog der Religionen