Volkswirtschaft I
Grundbegriffe
1. Wirtschaften und BedürfnisseWirtschaften bedeutet, menschliche Bedürfnisse in organisierter Form befriedigen. Dadurch soll für den Konsumenten ein Nutzen gestiftet werden. Neben der Bedürfnisbefriedigung erfüllt die Wirtschaft auch andere Funktionen, z.B. für Arbeitsplätze zu sorgen und den Menschen die Möglichkeit für Lernen an der Praxis, Engagement, Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung zu geben. Die organisierte Bedürfnisbefriedigung erfolgt durch planende und ausführende Wirtschaftssubjekte in Betrieben, Haushalten sowie im Staat und in ihm verwandten Einrichtungen, z.B. Interessenvertretungen und Sozialversicherungseinrichtungen. Menschliche Bedürfnisse sind individuelle Wünsche, die auf dem Gefühl eines Mangels, eines unerwünschten Überflusses oder einer gesellschaftlichen Verpflichtung, verbunden mit dem Wunsch, diesen Mangel oder Überfluss zu beseitigen bzw. der Verpflichtung nachzukommen, beruhen. Die Bedürfnisse haben eine Rangordnung nach ihrer Dringlichkeit. Die dringlichsten Bedürfnisse nennt man Grundbedürfnisse, andere abgeleitete Bedürfnisse. Die Rangordnung der Bedürfnisse ermöglicht den Haushalten erst die Aufstellung eines Konsumplans. Bedürfnisse sind subjektive Empfindungen. Durch die Konsumplanung der Haushalte werden sie konkretisiert und gesammelt, wodurch sie zum Bedarf werden. Der Bedarf tritt objektiviert auf den Märkten als Nachfrage auf. Diese Nachfrage wird durch Konsumgüterbetriebe (denen andere Betriebe vorgelagert sind, z.B. Rohstofflieferanten, Investitionsgüterhersteller, Export-, Import- und andere Zwischenhändler, zahlreiche andere Dienstleister, etwa Transportbetriebe und Betriebe des Geld- und Versicherungswesens) mit Gütern (materiellen und immateriellen Gütern) gedeckt. Dieser Vorgang, der "Konsum", soll zur Bedürfnisbefriedigung führen, d.h. dem Konsumenten einen individuellen Nutzen vermitteln. Jener Nutzen, der dem Konsumenten durch den gesamten Konsum während einer bestimmten Zeit (z.B. eines Monats) durch den Konsum entsteht, ist der durch seinen Konsum vermittelte "Gesamtnutzen". Jener zusätzliche Nutzen, der dem Konsumenten durch den Konsum einer einzigen zusätzlichen Einheit eines Gutes (z.B. eines weiteren Glases Bier) entsteht, ist der "Grenznutzen", der ihm durch diesen einzelnen Konsumakt vermittelt wird. Normalerweise nimmt der Grenznutzen mit der Zahl der von einem Gut konsumierten Einheiten ab. Entsprechend dem Sinken des Grenznutzens sinkt auch der Preis, den der Konsument für eine zusätzliche Einheit des Gutes zu zahlen bereit ist. (Denken Sie an das Sinken der Preise auf einem mit einem bestimmten Gut übersättigten Markt!) Der Preis wird allerdings auch von anderen Marktkräften (z.B. von den Kosten der Anbieter) beeinflusst. Die Folgende Graphik stellt diese Zusammenhänge dar:
2. Betriebe und ProduktionBetriebe sind Organisationseinheiten, die auf Grund eines Produktionsplans durch kombinierten Einsatz von Produktionsfaktoren (Arbeitskraft und Kapital, z.B. in Form von Wissen oder "Knowhow", Maschinen, Software, Computernetzen, Lieferanten- und Kundenbeziehungen oder Grund und Boden) Güter produzieren. Der Produktionsplan wird normalerweise so gestaltet, dass das Unternehmen langfristig gesichert ist und das gesetzte Ziel mit möglichst geringen Ressourcen, somit möglichst kostensparend oder "rationell", erreicht wird und - bei privatwirtschaftlich orientierten Unternehmen - somit auch ein möglichst hoher Gewinn (Überschuss des Ertrages über den Aufwand in einer Periode, z.B. einem Jahr) erzielt wird ("Wirtschaftliches Prinzip"). Produktion (im volkswirtschaftlichen Sinn) ist jede betriebliche Tätigkeit, die ein Gut näher zum Konsumenten bringt. Somit sind auch Dienstleistungen im volkswirtschaftlichen Sinn "Produktion". Herstellung dagegen ist die Produktion materieller Güter. Produktivität ist das Verhältnis zwischen mengenmäßigem Input in die Produktion (z.B. Arbeitsstunden) und mengenmäßigem Output der Produktion (z.B. hergestellte Stückzahl). Sinnvoll ist nur die Messung der Veränderung der Produktivität. Die Produktivität kann durch Investitionen erhöht werden. Unter Investitionen versteht man die Bereitstellung produzierter Güter, um den Produktionsprozess rationeller oder die produzierten Güter qualitativ höherwertiger zu machen. Investitionen sind für das Wirtschaftswachstum, den Strukturwandel einer Volkswirtschaft und für die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen besonders wichtig. Durch Investition wird sehr oft auch neue Technologie in einen Betrieb transferiert. Wenn ein Teil der in einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Augenblick vorhandenen materiellen oder finanziellen Mittel für Investitionen verwendet werden, bedeutet das gleichzeitig immer einen (vorläufigen, d.h. bis zum Wirksamwerden der Produktivitätssteigerung eintretenden) Konsumverzicht. Güter sind Mittel zur direkten oder indirekten (d.h. über die Produktion erfolgenden) Bedürfnisbefriedigung. Produzieren die Betriebe Konsumgüter (Güter für Haushalte), handelt es sich um Konsumgüterbetriebe. Produzieren sie Produktionsgüter (produzierte Güter für Betriebe, die damit andere Güter produzieren, somit Kapital), handelt es sich um Produktionsgüterbetriebe, z.B. im Fall der Produktion von Investitionsgütern (wie Produktionssoftware oder Maschinen) speziell um Investitionsgüterbetriebe. Güter sind entweder materielle Güter (diese kann man angreifen) oder immaterielle Güter (Dienstleistungen). Bei öffentlichen Gütern, die üblicherweise vom Staat zur Verfügung gestellt werden, kann niemand der Nutzung ausgeschlossen werden und verursacht auch die Nutzung des Gutes durch eine zusätzliche Person keine zusätzlichen Kosten. Private Güter sind in ihrer Nutzung auf eine bestimmte Person oder Personengruppe beschränkt. Diese Person oder Personengruppe trägt normalerweise auch die Kosten der Nutzung. Betriebe, die selbst einen Produktionsplan erstellen, sind Unternehmen, andere (den Produktionsplan einer übergeordneten Einheit, z.B. einer Unternehmung oder in einer Planwirtschaft einer staatlichen Planungsstelle) ausführende Betriebe ohne Unternehmenseigenschaft (in einer reinen Planwirtschaft gibt es daher keine Unternehmungen). Betriebe, die exportieren, sind Exportbetriebe (wobei der Verkauf von einem EU-Land in ein anderes wegen des "Binnenmarktes" der EU nicht als Export, sondern als "innergemeinschaftlicher Handel" bezeichnet wird). Betriebe, die unter Einsatz von Hochtechnologie produzieren, sind High-Tech-Betriebe. Betriebe können auch nach ihrer Größe (etwa gemessen am Umsatz oder an der Zahl der Beschäftigten) in Die folgende Grafik zeigt schematisch die Entwicklung der Beschäftigtenstruktur seit 1980 in "Industrieländern". Quelle: Leo Nefiodow, Der fünfte Kondratieff, Gabler, Wiesbaden 1990
Betriebe organisieren sich zu Kooperationszwecken immer häufiger auch entlang ihrer Wertschöpfungsketten (also mit Vorlieferanten aus dem Bereich der Wirtschaft, aber z.B. auch der Forschung). Dadurch entstehen Cluster. Cluster werden nach dem Schlüsselprodukt, das sie hervorbringen, benannt, z.B. Automobilcluster.
3. Haushalte und KonsumHaushalte sind Organisationseinheiten, in denen der Konsum (Verbrauch und Gebrauch) von Gütern (in diesem Fall Konsumgütern, die - materielle oder immaterielle - Verbrauchsgüter oder Gebrauchsgüter sein können) erfolgt und die den Betrieben gegen Entgelt Produktionsfaktoren zur Verfügung stellen.
Das Entgelt der Betriebe für die Angehörigen der Haushalte, und zwar Löhne für unselbständige Arbeit (einschließlich der Gehälter), Gewinne für selbständige Arbeit und Zinsen oder Mieten - rechtlich: Pacht - für die Bereitstellung von Kapital ergibt zusammen mit Transferleistungen des Staates (z.B. Arbeitslosengeldern, Pensionszahlungen) das Einkommen der Haushalte. Wird das Entgelt der Haushalte einer Periode nicht vollständig für den Konsum ausgegeben, liegt Sparen der Haushalte vor. Wird mehr als das Einkommen einer Periode für Konsum ausgegeben, liegt "negatives Sparen", nämlich der Verbrauch von Vermögen oder Kreditaufnahme, vor. Die Haushalte stellen für eine bestimmte Periode, z.B. einen Monat, einen Konsumplan auf. Dabei teilen sie ihr Einkommen so auf ihre Bedürfnisse auf, dass die Basisbedürfnisse auf jeden Fall und die abgeleiteten Bedürfnisse so weit wie möglich und möglichst ausgewogen befriedigt werden können und die Bedürfnisbefriedigung mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz erfolgt ("Wirtschaftliches Prinzip", siehe auch "2. Betriebe und Produktion"!).
Einen raschen Überblick bietet Ihnen die folgende Grafik über die monatlichen Haushaltsausgaben in Österreich: Quelle der Daten: Statistik Austria, Konsumerhebung 1999/2000 Die monatlichen Haushaltsausgaben betrugen zur Zeit der Konsumerhebung 1999/2000 in Österreich durchschnittlich S 18.400 (€ 1351,71). oben4. Staat und InteressenvertretungenUnter Staat versteht man in der Volkswirtschaft normalerweise die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden, die rechtlich gesehen Körperschaften öffentlichen Rechts sind, und staatsnahe ("parastaatliche") Organisationen, wie z.B. die Sozialversicherungsträger. Dazu kommt jedoch im Fall Österreichs als EU-Mitglied seit 1995 auch die Europäische Union, die in einzelnen für die Wirtschaft wichtigen Bereichen (z.B. dem Außenhandel oder dem Verkehr) Regelungsbefugnisse hat. Der Staat (einschließlich der Sozialversicherungsträger) greift in die Wirtschaft vor allem durch folgende Aktivitäten ein:
Informieren Sie sich über die Aufgaben und die Leistungen des Staates auf folgenden Websites:
Die Interessenvertretungen erbringen jeweils für ihre Mitglieder folgende Dienstleistungen:
Es gibt gesetzliche und freiwillige Interessenvertretungen. Die gesetzlichen Interessenvertretungen beruhen jeweils auf einem Gesetz, z.B. dem Wirtschaftskammergesetz ( ein Bundesgesetz), dem Arbeiterkammergesetz (ein Bundesgesetz), den Landwirtschaftskammergesetzen (Landesgesetze, da Landwirtschaft Landesangelegenheit ist). In diesen Gesetzen sind die Aufgaben der betreffenden Interessenvertretungen und eine Pflichtmitgliedschaft, die vor allem die Stärke dieser Interessenvertretungen im Auftreten gegenüber dem Staat sichern soll, festgelegt. Die gesetzlichen Interessenvertetungen sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Freiwillige Interessenvertretungen (z.B. die Industriellenvereinigung und der Österreichische Gewerkschaftsbund) beruhen nicht auf einem Gesetz und haben daher auch keine Pflichtmitgliedschaft. Sie haben die Rechtsform von Vereinen. Unter Sozialpartnerschaft versteht man das freiwillige Zusammenwirken der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in einer Form, die sich an gemeinsamen volkswirtschaftlichen Zielen (z.B. Wirtschaftswachstum, Vermeidung von Inflation, Vermeidung von Arbeitslosigkeit) orientiert. Dies ist vielfach nur durch Kompromisse (etwa bei Kollektivvertragsverhandlungen) erreichbar, vermeidet aber weitgehend Kampfmaßnahmen, z.B. Streiks. Während die großen Interessenvertretungen früher mitunter primär eine "Verteilungspartnerschaft" betrieben und als "Nebenregierung" auftraten, bemühen sie sich heute vor allem um eine "Zukunftspartnerschaft" oder "Standortpartnerschaft", d.h. um eine gemeinsame Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich durch strukturpolitische Aktionen, bei denen sie miteinander und mit staatlichen Stellen (auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene) kooperieren. Informieren Sie sich über die Aufgaben und die Leistungen wichtiger Interessenvertretungen auf folgenden Websites:
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