Zwei Politikwissenschafter zum Streik
und zum Verhältnis Regierung - Gewerkschaften :
Seit
der „Wende“ im Jahr 2000 häufen sich die Konflikte zwischen Regierung und ÖGB.
Es wird immer öfter demonstriert und – für Österreich früher unüblich –
gestreikt: Von den Lehrern über das AUA-Bordpersonal bis zu den Eisenbahnern.
Politikwissenschafter Emerich Talo`s hat errechnet, dass alleine heuer so viele
Protestaktionen stattgefunden haben wie in den vergangenen zwölf Jahren
zusammen.
Ist das die Kraftprobe, wie sie einst Englands „Eiserne Lady“ Margret Thatcher
gegen die Gewerkschaften führte und gewann?
„Die jüngste Entwicklung geht von ihrer strategisch-politischen Ausrichtung
sicher in diese Richtung“, bewertet der Politologe Fritz Plasser: „Die Regierung
bezieht ihre Existenzberechtigung aus ihrer Fähigkeit, auch unangenehme Reformen
durchzusetzen. Das beinhaltet den grundsätzlichen Konflikt mit den
Gewerkschaften.“
F. Plasser schränkt aber ein: „So dramatisch wie in Großbritannien, als die
Fernheizwerke bestreikt wurden und die Leute im Winter frieren mussten, ist es
bei uns noch lange nicht. Aber strategisch gibt es durchaus Parallelen.“
Die ursprüngliche Härte gegenüber den Eisenbahnern passt auch für E. Talo`s in
eine gezielte Strategie: „Es scheint der Regierung darum zu gehen, den Einfluss
der Gewerkschaften auf den verschiedensten Ebenen einzuschränken.“ Zudem werde
auf Unternehmerverbände eher eingegangen als auf die Vertreter der Arbeitnehmer.
Wie in anderen Fällen zuvor habe die Regierung bei der Bahn anfangs nicht sofort
so verhandelt, wie es in Österreich früher immer üblich war: „Es gab in der
Vergangenheit zwischen Regierung und Interessensverbänden oft kontroversielle
Interessen. Doch es wurden substanzielle Verhandlungsspielräume eingeräumt.“
Die Konflikte um Pensionen und Sozialsystem haben die Gewerkschaften für Talo`s
zu „gebrannten Kindern“ gemacht; deshalb steige der Druck des ÖGB auf die
Regierung. Der Eisenbahnerstreik sei für beide Seiten gesichtswahrend
ausgegangen: „Die Gewerkschaft steigt aber gestärkt aus .“
Kurier 16.11.2003
http://kurier.at/zeitung/innenpolitik/WM/index.php?artikel=442053