Österreich-Fonds als vage Gemeinsamkeit beim Privatisierungskurs
Die ÖIAG steht vor weiteren Verkäufen. Von der Regierungskonstellation hängt lediglich ab, welche Beteiligungen in welchem Ausmaß privatisiert werden.

 

WIEN (and/eid). Eines ist klar: Ein derart heißes Eisen wie vor den Nationalratswahlen 1999 ist das Thema ÖIAG - die Staatsholding mit so wichtigen Beteiligungen wie Voest-Alpine, OMV, Böhler-Uddeholm, VA Tech, AUA, Post, Telekom Austria - derzeit nicht. Das dürfte vor allem mit der finanziellen Entspannung zu tun haben. Drohte die Holding noch vor drei Jahren unter Schulden von rund sechs Mrd. Euro zu ersticken, haben die seither erfolgten Privatisierungen die Lage verbessert. Größte Brocken waren die Komplett-Verkäufe von Postsparkasse, Austria Tabak, Dorotheum und der Börsengang der Telekom. Heute liegt die Verschuldung bei rund zwei Mrd. Euro, deren Zinsen können mit den Dividendeneinnahmen beglichen werden.

Doch was passiert mit dem rund vier Mrd. Euro schweren Beteiligungs-Stock? Wird weiter voll auf Entstaatlichtung gesetzt, oder auf Beteiligungs-Management? Auch hier verlaufen die Fronten nicht mehr so starr wie einst. Klar scheint, daß eine Neuauflage von Schwarz-blau nicht vom Komplett-Verkauf aller Anteile bis Ende der kommenden Legislaturperiode abrücken würde. Der von Finanzminister Karl-Heinz Grasser propagierten Auflösung der Holding stimmt auch die ÖVP zu. Allerdings bräuchte man eine Gesetzesänderung, wurde doch 2000 im Parlament beschlossen, daß die ÖIAG im Beteiligungsbereich die Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) zu halten oder durch Syndikate mit anderen Investoren für eine Dreiviertelmehrheit zu sorgen habe.

Neben den (selbst veranlaßten) gesetzlichen Restriktionen erschweren auch bestehende Abkommen die Privatisierungspläne: Bei der OMV hat der jetzige Partner aus Abu Dhabi (Ipic) ein Vorkaufsrecht - ob ein Verkauf des führenden Mineralölkonzerns an arabische Eigner im industriepolitischen Interesse des Landes ist? Bei der AUA wiederum hängen Verkehrsrechte - noch - an der nationalen Mehrheit, was eine Privatisierung nicht gerade erleichtert.

Beide Unternehmen sind Beispiele dafür, wo Privatisierungsambitionen von SPÖ und Grünen enden. Proponenten beider Parteien haben in den letzten Monaten kundgetan, Privatisierungen von der strategischen Bedeutung der Unternehmen abhängig zu machen. Insbesondere die Grünen haben diesen Zugang in den Vordergrund gestellt und etwa auf die Bedeutung von Infrastruktur-Unternehmen (wie die Post) verwiesen. Die Frage des Kernaktionärs sei dagegen weniger bedeutsam.

In der SPÖ will man für jedes Unternehmen eine "maßgeschneiderte" Lösung, wichtig sei, die Konzernzentralen in Österreich zu erhalten. Genauere Aussagen sind nicht zu erhalten. Da man aber grundsätzlich gegen den "Abverkauf" der letzten Jahre eintritt, ist eine Allianz der SPÖ mit einer der heutigen Regierungsparteien im Bereich ÖIAG schwer vorstellbar.

Allerdings hat auch Schwarz-blau keinen Radikalverkauf vor Augen. Vielmehr wurden in den letzten Monaten Möglichkeiten sondiert, wie die einzelnen Unternehmen privatisiert und gleichzeitig die österreichische Kontrolle gesichert werden kann. In den noch sehr allgemein gehaltenen Diskussionen werden Österreich-Fonds genannt, die an Stelle der ÖIAG Kernaktionäre werden sollen. Eigentümer wären Banken, Versicherungen, Industriegruppen und Mitarbeitervorsorgekassen, die sich langfristig engagierten.

Auch die neue private Zukunftsvorsorge, bei der 60 Prozent der Veranlagung in österreichischen Aktien erfolgen soll, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Nicht ausreichend geklärt sind vor allem zwei Fragen: Inwieweit kann die Bevorzugung heimischer Investorengruppen gegenüber ausländischen Interessenten EU-konform gestaltet werden? Und wie können diese Investoren rechtfertigen, daß sie für eine Veranlagung besondere Risken tragen sollen, indem ihnen der Verkauf der Beteiligungen nur langfristig und unter anderen Restriktionen erlaubt ist? Jedenfalls gefällt die Konstruktion der Österreich-Fonds auch der SPÖ, wie dem Wahlprogramm zu entnehmen ist.

Während die Zukunft der ÖIAG-Beteiligungen noch ungewiß ist, zeichnet sich ab, daß die Holding 2003 nach vielen Jahren wieder einen Budgetbeitrag leisten wird. Finanzminister Karl-Heinz Grasser schwebt eine Dividende von 200 Mill. Euro vor, obwohl Ausschüttungen erst nach einer gänzlichen Entschuldung der ÖIAG vorgesehen sind. Derzeit prüfen Juristen den geplanten Budgetbeitrag. Sollte sich die Überweisung als rechtlich unbedenklich herausstellen, würde wohl auch Rot-grün die Hand aufhalten.

Relativ klar ist heute schon auszumachen, daß sich unter Rot-grün die Besetzung des ÖIAG-Aufsichtsrats - und möglicherweise des Vorstands - ändern würde. Allerdings wurde dem insofern ein Riegel vorgeschoben, als die Hauptversammlung - das ist der Finanzminister - den Aufsichtsrat seit der ÖIAG-Novelle 2000 nicht mehr bestellt. Vielmehr erneuert sich das Gremium "von innen", indem neue Mitglieder durch die Aufsichtsräte selbst hereingeholt werden. Rot-grün will dieses Gesetz zu Fall bringen. Wenn die Aufsichtsräte nicht selbst den Hut nehmen.

13.11.2002 Quelle: Print-Presse