Auf dem Prüfstand: Vielfältige Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt es weltweit eine Reihe von Ansätzen,

die mit unterschiedlichem Erfolg ausprobiert wurden.

Ein Patentrezept hat sich freilich noch nicht herauskristallisiert.

 

Die Arbeitslosigkeit bleibt in Österreich auch im kommenden Jahr hoch, so die Prognose der Wirtschaftsforscher. Sie prophezeien zwar einen wirtschaftlichen Aufschwung, der aber noch keine Auswirkungen auf die angespannte Lage am Arbeitsmarkt haben wird.

Dies rückt wieder einmal die Diskussionen um arbeitsmarktpolitische Rezepte in den Vordergrund. Auch Deutschland hat ja bereits vor den Wahlen nach neuen Wegen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesucht. Die Vorschläge der "Hartz-Kommission" wurden im Nachbarland bereits im Wahlkampf heftig diskutiert.

Weltweit existieren die unterschiedlichsten Ansätze zur Arbeitsmarktpolitik - die sich aber im wesentlichen auf drei Vorschläge zurückführen lassen:

Der erste hat die Arbeitslosen selbst im Visier. Sie sollen durch Beratung, Zwang oder Qualifizierungsmaßnahmen wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Der zweite setzt bei der Verteilung von Arbeit an. Durch kürzere Arbeitszeiten oder Teilzeitmodelle soll die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen aufgeteilt und so für eine "gerechtere" Verteilung der Arbeit gesorgt werden.

Der dritte setzt schließlich auf höhere Beschäftigung - sei es durch die Senkung von Lohnkosten oder durch staatliche Zuschüsse für die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Dänemark: Arbeitslos ohne Existenzangst

  Auf eine hohe Flexibilität am Arbeitsmarkt setzt Dänemark. Die Barrieren für eine Kündigung sind niedrig, im Gegenzug ist das Arbeitslosengeld hoch. Arbeitnehmer können fast willkürlich und innerhalb minimaler Fristen entlassen werden. Wenn der Arbeitgeber weiß, daß er den Arbeitnehmer rasch wieder los werden kann, ist er auch eher bereit, neue Jobs zu schaffen, lautet die Philosophie. Auf der anderen Seite werden die Arbeitnehmer risikobereiter und wechseln auch mal auf einen unsicheren Job. Denn gekündigt zu werden ist keine Katastrophe, wenn man 90 Prozent des letzten Einkommens als Arbeitslosengeld bekommt. Dies gilt allerdings nur bis zu einer Einkommenshöchstgrenze von 1850 Euro.

Wer länger als ein Jahr arbeitslos bleibt, für den gibt es eine intensive Betreuung durch das Arbeitsamt. Auch angeblich hoffnungslose Fälle können vermittelt werden, so das Konzept. Lehrgänge, die das Selbstbewußtsein stärken, Jobtrainings und Lohn-Zuschüsse für schwer Vermittelbare gehören zu den Instrumenten der dänischen Arbeitsmarktpolitik.

Großbritannien: Zuckerbrot und Peitsche

  Einen deutlich anderen Weg hat die Blair-Regierung in Großbritannien gewählt. "Es muß sich wieder lohnen zu arbeiten", lautet der Kernsatz der sozialistischen Arbeitsmarktpolitik. Der Abstand zwischen Sozialhilfe und Mindestlohn wurde deutlich erhöht. So bekommt ein 25-jähriger Arbeitsloser 360 Euro pro Monat - egal, was er vorher an Sozialbeiträgen einbezahlt hat. Und auch das nicht fix: Hat das Arbeitsamt den Eindruck, der Arbeitslose sei überhaupt nicht an einem Job interessiert, wird die Unterstützung ohne große Umschweife gekürzt. Zunächst um 20 Prozent, und dann so weit, "bis es richtig weh tut". Auf der anderen Seite garantiert der Staat einem Alleinstehenden, der mindestens 30 Stunden die Woche arbeitet, ein Nettoeinkommen von mindestens 1067 Euro.

Und auch Großbritannien setzt darauf, die Beratungstätigkeit der Arbeitsämter zu verbessern. Arbeitslose sollen als "Kunden" ernst genommen werden. Die Wartezeiten im Job-Center sollen nicht länger als zehn Minuten dauern, am Telephon weniger als zwanzig Sekunden. "Mystery shoppers" (also Kontrollore, die sich als Kunden ausgeben) testen, ob der Service auch wirklich funktioniert.

USA: Geld für Arbeit

Der US-Bundesstaat Wisconsin hat 1993 eine viel diskutierte Sozialreform gestartet. "Wisconsin Works" folgt einem einfachen Konzept: Sozialhilfe darf keine Subvention ohne Gegenleistung sein, sondern muß verdient werden. Angeboten wird zwar eine intensive Hilfe bei der Arbeitssuche und bei allem was damit zusammenhängt. Etwa die Suche nach Betreuungsplätzen für Kinder. Doch gleichzeitig gibt es rigide Regeln für jene, die keinen Job finden. Sie müssen 30 bis 35 Stunden pro Woche Zivildienst leisten. Diese Beschäftigung kann alles umfassen - von Krankenpflege bis zum Tellerwaschen in der Kantine des Arbeitsamtes. Die Regeln sind streng: So bekommen beispielsweise Mütter nur zwölf Wochen Karenzzeit, dann müssen sie wieder arbeiten, wollen sie ihre Ansprüche nicht verlieren.

Seit Einführung des Programms ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger im fünf Millionen Einwohner zählenden Bundesstaat von 62000 auf 6115 zurückgegangen. Doch Kritiker lassen kein gutes Haar an dem rigiden Programm und kritisieren die negativen Auswirkungen. So seien viele der früheren Empfänger von Sozialhilfe heute nicht - wie von den Proponenten behauptet - produktiv arbeitende Mitglieder der Gesellschaft, sondern vielmehr im Obdachlosenasyl gelandet. Und andere einfach in einen anderen Bundesstaat mit besserem Zugang zum Sozialsystem umgezogen.

Niederlande:
Die Arbeit verteilen

  Schon in den 80er Jahren ist es der niederländischen Regierung gelungen, die damals extrem hohe Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Das sogenannte Poldermodell, ausgehandelt von Gewerkschaften, Wirtschaftsvertretern und Regierung, setzte auf eine bessere Verteilung der vorhandenen Arbeit. Die Wirtschaft verpflichtete sich zur Schaffung von Teilzeitstellen, die Regierung startete ein Frühpensionierungsprogramm, und die Gewerkschaft erklärte sich mit geringen Lohnerhöhungen einverstanden. Zudem wurde der Arbeitsmarkt flexibilisiert.

Heute haben die Niederlande, die 1982 noch eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent beklagten, eine der niedrigsten Arbeitslosenraten in der EU, doch die Statistik ist etwas geschönt. 40 Prozent der Bevölkerung gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Eine Million Menschen stecken in großzügigen Frühpensions- oder Invalidenprogrammen, die den Staatshaushalt stark belasten.

Frankreich: Weg von der 35-Stunden-Woche

  Die frühere sozialistische Regierung Frankreichs hat seit dem Jahr 1998 jenes Rezept umgesetzt, das von den Sozialisten vor allem in den 80er Jahren europaweit propagiert wurde: Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden. Dies sollte in drei Etappen eingeführt werden, wobei drei Viertel der Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern sowie neun Prozent in kleineren Firmen bereits in den Genuß der kürzeren Arbeitszeit kamen. Die Mitarbeiter mußten eine "Lohnmäßigung" in Kauf nehmen, den Unternehmern wurde als Kompensation für die Umstellung der Arbeitgeberanteil an den Lohnnebenkosten teilweise ersetzt. Die dafür anlaufenden Kosten mußte zum Teil die Sozialversicherung übernehmen, die dadurch kräftig unter Druck kam.

Vor Einführung der dritten und letzten Etappe hat nun die neue konservative Regierung das Projekt gestoppt. Ein neues Gesetz sieht de facto die Rückkehr zur 39-Stunden-Woche vor. Begründet wird dies damit, daß die beschäftigungspolitische Wirkung der Maßnahme begrenzt gewesen sei. Zwar ist die Arbeitslosigkeit seit 1997 von 12,6 auf 8,8 Prozent zurückgegangen, doch dies wird vor allem auf den Konjunkturaufschwung zurückgeführt. Während die frühere Linksregierung mit 450.000 neuen Jobs argumentiert hatte, schätzt die Regierung Raffarin, daß durch die Arbeitszeitverkürzung nur 100.000 neue Jobs geschaffen wurden.

Erfahrungsberichte sprechen eher für letzteres: In vielen Betrieben ist es nämlich nicht zu der erwarteten und staatlich geförderten Personalaufstockung gekommen. Stattdessen mußten die Mitarbeiter die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigen.

Deutschland: Hartz geht neue Wege

  Die deutsche Hartz-Kommission unter der Leitung des VW-Personalchefs Peter Hartz, die für Bundeskanzler Gerhard Schröder Strategien für den Arbeitsmarkt entwickeln sollte, hat auf einige dieser internationalen Erfahrungen zurückgegriffen, hat aber auch einiges Neues entwickelt.

Einer der Kernpunkte seiner Vorschläge ist eine Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose. Vor allem Ledige und Verheiratete ohne Kinder sollen schneller als bisher einen neuen, auch geringer bezahlten Job fernab ihres Wohnsitzes annehmen müssen, damit sie Leistungskürzungen vermeiden. Zudem müssen Beschäftigte ihre Kündigung dem Job-Center sofort mitteilen. So kann bereits die Kündigungsfrist zur Arbeitssuche verwendet werden. Wer die Kündigung verspätet meldet, dem droht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes.

Innovative Ansätze fand Hartz bei der Förderung des Übergangs in die Selbständigkeit. Arbeitslose sollen sich in eine "Ich-AG" gründen können und trotzdem drei Jahre lang einen Teil des Arbeitslosengeldes weiter beziehen können. Dies ist vor allem als Lösung für arbeitslose Schwarzarbeiter gedacht. Ein weiterer Vorschlag ist die Gründung von Personalservice-Agenturen. Sie sollen in den Jobzentren angesiedelt sein und den Arbeitslosen Leiharbeit vermitteln.

Als neues Finanzierungsinstrument schlägt die Hartz-Kommission den "Job Floater" vor. Wer einen neuen Arbeitsplatz schafft und einen Arbeitslosen dauerhaft einstellt, kann ein Darlehen in der Höhe von bis zu 100.000 Euro erhalten. Finanzieren soll dies die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Hartz-Kommission rechnet mit einem Fördervolumen von jährlich fünf Mrd. Euro.

30.09.2002 Quelle: Print-Presse