Zuwanderer, Asylanten, Engagierte und Ratlose  

.

Wie hältst du es mit den Ausländern? Eine ganz schwierige Frage, die viele Aspekte verknotet. Dennoch schart sie viele Österreicher - unreflektiert, aber engagiert - hinter unterschiedlichen Fahnen: die der Guten, also der veröffentlichten Meinung, und jene der Heimattreuen, wo sich die öffentliche Meinung trifft (wie eine neue Umfrage zeigt). Andere wieder meiden das Thema prinzipiell - aus Angst, sich die Zunge zu verbrennen.

Dabei wäre es nirgendwo dringender, alle Aspekte ruhig abzuwägen - und dann mutig zu handeln. Hier 10 Punkte zur Denkanregung :

Erstens, die Alterspyramide zeigt, dass Österreich wie Europa in Zukunft Zuwanderung braucht. Die Überalterung kann damit allein natürlich nicht gelöst werden, dazu bräuchte es auch Taten, die Kinderfreudigkeit zu steigern (oder soll das nur ein Sommerthema sein?). Dazu bräuchte es auch mehr Arbeits-Chancen für die jungen Alten.

Zweitens, Zuwanderung ist auch nötig, um hinterwäldlerische Verdumpfung zu verhindern, um frisches Blut ins Land zu bringen. Geistige Inzucht führt in jeder Hinsicht zu Verarmung.

Drittens, Zuwanderung wird von allen Einwanderungsländern qualitativ wie quantitativ gesteuert. Sie schauen sich die Qualifikation jedes Einzelnen an, den sie hereinlassen, und achten auf die ethnische und kulturelle Mischung der Zuwanderer.

Denn viertens: Es kann bei der Zuwanderung auch ein Zuviel geben. Wer wie Österreich Anfang der 90er Jahre jedes Jahr Hunderttausende ins Land ließ, darf sich nicht wundern, wenn die Balance in ganzen Schulen, Bezirken, und Städten rapid durcheinander gerät. Wenn über Nacht Ghettos entstehen, Parkanlagen von ethnischen Banden beherrscht werden, dann schafft die Zuwanderung mehr Probleme, als sie löst.

Fünftens: So unhaltbar es ist, dass Schwarz-Blau bei der Zuwanderung jetzt ins andere Extrem verfallen ist, so klar ist das vom Thema Asyl zu trennen. Jeder Staat gibt sich auf, der nicht den Asylantenstrom restriktiv behandelt. Denn wer sich ein bisschen in der Dritten Welt auskennt, weiß: Es sind viele Millionen, die gerne auch durch die Hintertür namens Asyl in den als golden eingestuften Westen gehen würden.

Sechstens: Es sind weder die Qualifiziertesten noch die Ärmsten, die es in der Regel auf diesem Weg versuchen. Die Ärmsten können sich die horrenden Gebühren der Schlepper nie leisten. Wer wirklich etwas gegen die Armut der Dritten Welt tun will, der sollte dieser direkt helfen und dabei, dass sie ihre Produkte trotz des Widerstands unserer Bauern, Gewerkschaften und Industriellen auch exportieren dürfen.

Siebentens: Bei den zuletzt nach Österreich geströmten Asylwerbern dominieren fast durch die Bank ökonomische Interessen. Auch die wenigen wirklich Verfolgten unter ihnen haben solche Ziele, sonst kämen sie nicht ausgerechnet ins ferne Österreich.

Achtens: Asylwerber haben in aller Regel Interesse an langen Verfahren. Weil viele zugleich schon Geld verdienen (nicht nur durch Schwarzarbeit und illegale Aktivitäten, sondern etwa auch durch legale Zustelldienste), weil sie auf Rettung durch Heirat bauen.

Neuntens: Viele Asylwerber werfen ihre Pässe zur Verwischung von Spuren weg und erzählen in jeder Instanz ganz neue Geschichten. Im Gegenzug ist daher auch das geplante Neuerungsverbot durchaus sinnvoll (das ja im Prozessrecht auch sonst sehr verbreitet ist).

Das alles rechtfertigt jedoch zehntens nicht den Innenminister, der lange viel zu wenig Beamte zur Behandlung von Asylansuchen abgestellt hat; der zu wenig Strategien entwickelt hat, um abgelehnte Asylwerber auch wirklich abzuschieben; der durch rückwirkende Regelungen jenen Institutionen Geld vorenthält, die sich der Asylwerber im Vertrauen auf eine legitime Interpretation der Gesetze angenommen haben.

Das zentrale Problem der Ausländerpolitik heißt aber: Die meisten Akteure suchen sich nur sehr gezielt einige dieser zehn Fakten aus, aber nie alle.

VON ANDREAS UNTERBERGER (In: Die Presse vom 18.10.2003 )

http://www.diepresse.at/Artikel.aspx?channel=p&ressort=pk&id=383448

http://www.diepresse.com/textversion_article.aspx?id=383448