Schlepperkosten samt Rechtsberatung: 3500 Dollar

Weil Schlepperbanden das Paradies auf Erden versprechen, 

explodiert in Österreich die Zahl der Asylsuchenden.

 

Die Einzelschicksale sind dramatisch: 

Da wurde etwa einer hochschwangeren Armenierin am 23. September erklärt, daß sie in wenigen Tagen aus der Bundesbetreuung entlassen werde. Sie möge sich daher rasch auf eigene Faust ein Quartier suchen. Auch nachdem sie am 1. Oktober ihr Kind zur Welt gebracht hatte, war das zunächst kein Grund zur Gnade für die österreichischen Behörden.
Einem bosnischen Ehepaar, das bereits wochenlang auf eine Entscheidung über seinen Asylantrag wartete, wurde die Bundesbetreuung gleich von vorneherein verweigert. Die Frau ist im siebenten Monat schwanger.
Und eine kurdische Familie, die aus der Türkei geflüchtet war, wurde mitsamt ihrem acht Monate altem Säugling aus dem Lager Traiskirchen ausquartiert, obwohl Kurden, die in der Türkei als noch immer verfolgt gelten, gar nicht aus der Bundesbetreuung entlassen werden dürften.
Das ist die eine Seite, auch wenn der Chef des Bundesasylamtes, Wolfgang Taucher, betont, daß man in solchen Fällen immer noch einen Platz für die Asylbewerber finde. Taucher: "Wir müssen es nur wissen, denn natürlich schlagen auch unsere Leute manchmal über die Stränge."

Asylanträge explodieren

Die andere Seite ist ebenso dramatisch. Österreich wird seit dem vergangenen Jahr von Asylbewerbern geradezu überrannt. Wurden im Jahr 2000 noch exakt 18.284 Asylanträge gestellt, so waren es im vergangenen Jahr 30.135. Heuer wurden bis 21. Oktober bereits 29.817 Asylanträge eingebracht. Während in EU-Europa die Zahl der Asylsuchenden in den ersten zehn Monaten des heurigen Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum 2001 um rund acht Prozent zurückging, stieg die Zahl in Österreich um immerhin 13 Prozent. Zum Vergleich: Den etwas mehr als 30.000 Asylanträgen des Jahres 2001 in Österreich stehen etwas mehr als 88.000 in Deutschland gegenüber - und Deutschland ist von der Bevölkerungszahl her ungefähr zehn Mal so groß.

Von 1993, als noch 4744 Flüchtlinge in Österreich um Asyl ansuchten, bis 1997 stiegen die Zahlen zwar relativ konstant an und hielten 1997 bei 6719. Im Jahr 1998 explodierte die Zahl der Asylanträge auf 13.805, im Jahr 1999 waren es 20.129. Der Grund: Der Krieg im Kosovo.

Und auch jetzt sind es zu einem großen Teil Kosovaren, die für den dramatischen Anstieg der Asylanträge sorgen. Dafür, daß die Kosovaren wie auch die Staatsbürger vieler anderer Länder in Österreich nun Asyl begehren, sind in erster Linie gut organisierte Schlepperbanden verantwortlich. Diese streuen in den Herkunftsländern der Asylsuchenden gezielt das Gerücht, daß Österreich jedem Asyl und einen Arbeitsplatz biete. Und die Banden haben Fixtarife, zu denen sie ihre Opfer nach Österreich bringen. 1000 bis 2000 Euro kostet die "Reise" für eine Einzelperson nach Österreich. Weil die potentiellen Asylanten von ihren Schleppern obendrein "schlecht beraten" werden, geben sie dann bei der ersten Befragung vielfach auch offen zu, nur deshalb nach Österreich geflüchtet zu sein, weil sie hier arbeiten und ihre zu Hause gebliebenen Angehörigen versorgen wollten.

Dramatische Einzelschicksale auch hier: Vom Hirten, der seine ganze Herde verkauft hat, um sich mir dem Geld Schleppern anzuvertrauen, bis zu Familien, die in Pakistan, den Ländern der früheren Sowjetunion, oder in Bangladesch ihr letztes Erspartes für einen Sohn zusammenkratzen, auf daß dieser in Österreich sein Glück mache und die zu Hause Gebliebenen versorge. Umso schwerer ist dieser dann zur Rückkehr zu bewegen, auch wenn ihm von Anfang an klar gemacht wird, daß er als reiner Wirtschaftsflüchtling keine Chance auf Asyl hat.

Ein besseres Service bieten russische Schlepper: Auf einer eigenen Homepage offerieren sie ein umfassendes Servicepaket. Das Luxuspaket um 3500 Dollar pro Person umfaßt eine intensive Beratung über die österreichische Rechtslage samt Korrektur der Lebensgeschichte und einer Betreuung in Österreich - durch "unseren Spezialisten aus Holland, der Mitarbeiter der Europäischen Flüchtlingskommission ist." Angepriesen wird, daß Österreich nach einem ersten positiven Interview die Miete für die Wohnung und auch sofort Sozialhilfe bezahle. Die abgespeckte Variante ohne Betreuung in Österreich kostet pro Person 2000 Dollar.

Vor diesem Hintergrund, der zur Explosion der Asylanträge geführt hat, sind auch die Bemühungen Innenminister Ernst Strassers zu sehen, hier die Notbremse zu ziehen - etwa durch eine Liste von Staaten, die als sichere Drittstaaten gelten, oder durch Abkommen mit Nachbarstaaten. Strasser ist darob inzwischen auch zum Lieblingsfeind der Hilfsorganisationen geworden, die sich standhaft gegen die Unterscheidung zwischen politisch oder ethnisch Verfolgten und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen wehren.

Italien kein sicherer Staat?

Und auch die Gerichte und der unabhängige Asylsenat fällen Entscheidungen, die oft nicht wirklich nach vollziehbar sind: So sieht etwa der Verwaltungsgerichtshof Tschechien nicht als sicheren Drittstaat an, der unabhängige Bundesasylsenat fällte dieses Urteil erst jüngst über Italien.

Und auch so manche Bundesländer lassen Strasser & Co in der Flüchtlingsbetreuung weitgehend im Regen stehen. So hat der Bund seine Betreuungsplätze für Asylbewerber von früher rund 2000 in den vergangenen beiden Jahren auf rund 6000 erhöht. Die meisten Bundesländer verweigern aber beharrlich die Aufnahme jener Zahl von Asylbewerbern, die sie zuvor mit dem Bund ausgehandelt haben - lediglich Niederösterreich, Oberösterreich und Wien betreuen mehr Asylbewerber, als zugesagt. Und sorgen dafür, daß die Gesamtquote von 6356 betreuten Asylbewerbern in den Ländern erfüllt wird. Vorarlberg hingegen betreut keinen einzigen, Tirol etwa nur 130 statt versprochener ohnehin bescheidener 277 und Wien nur 812 statt 1231. Dafür quellen ob des Ansturms von Asylsuchenden die Notlager der Hilfsorganisationen über: Denn immerhin rund 7000 Asylbewerber sind auf deren Hilfe angewiesen. In der Kriminalstatistik schlägt sich die steigende Zahl der Asylbewerber hingegen nicht nieder. Seit Jahren liegt der Anteil der Fremden an der Gesamtkriminalität in Österreich bei rund einem Drittel.

30.10.2002 Quelle: Print-Presse